Archives for November 2009

Unsere außerirdischen Brüder

Premiere! Diese Woche hält die Päpstliche Akademie der Wissenschaften ihre erste große Konferenz zur Astrobiologie, unter Vorsitz des Präsidenten der Akademie, Bischof Marcelo Sanchez Sorondo. Im Vorfeld haben die Vertreter der Kurie sich auffällig alienfreundlich gezeigt. Der Leiter der päpstlichen Sternwarte, der Jesuitenpater José Gabriel Funes, sagte in einem Interview mit dem Osservatore Romano:

“So wie es eine Vielfalt von Lebewesen auf der Erde gibt, kann es andere Gottesgeschöpfe geben, vielleicht sogar intelligente. Das widerspricht nicht dem Glauben, weil wir Gottes schöpferischer Freiheit keine Grenzen setzen können. Warum können wir nicht von ‘unseren außerirdischen Brüdern’ sprechen? Sie wären Teil der Schöpfung.”

Wie Fische im Wasser

Antennarius ocellatus, fotografiert von Nick Hobgood vor Osttimor

Antennarius ocellatus, fotografiert von Nick Hobgood vor Osttimor

Die physikalische Welt könnte auch ganz anders sein. Total anders. So dermaßen unvorstellbar anders, wie es unser Leben an der Luft für Tiefseefische ist. Ein Dialog, passend zu Kapitel 9 der “Verrückten Welt der Paralleluniversen”:

Irgendwo in der Tiefsee treffen sich zwei Anglerfische, Gerd und Herbert.

Gerd: Ja, wen seh ich da leuchten? Herbert! Wie schwimmts?
Herbert: Gut schwimmts! Und selbst?
Gerd: Auch ganz gut.
Herbert: Was treibt dich denn hierher?
Gerd: Ich bin nur mal kurz raus, ein bisschen frisches Wasser schnappen. Drinnen, in der Versammlungshöhle, hält so ein Forscher einen Vortrag. Total trocken.
Herbert: Was blubbert er denn so?
Gerd: Er ist Physiker und erforscht die Grundstruktur von Wasser.
Herbert: Die Sache mit den Molekülen?
Gerd: Genau die. Er behauptet, diese Moleküle könnten sich unter extremen Bedingungen ganz anders verhalten.
Herbert: Wie anders?
Gerd: Anders als sie es immer tun. Dann wäre Wasser plötzlich fest wie Stein, behauptet er.
Herbert: Hä? Klingt nach reichlich heißem Wasser.
Gerd: Ja, verrückt, diese Physiker. “Eis” nennt er diesen Zustand, nach dem Mythos aus dunklen Urzeiten.
Herbert: Der Eismythos ist doch nur eine Spinnerei von damals, als man noch keine Ahnung hatte und die Wissenslücken mit Fantasie füllte.
Gerd: Sag das mal diesem Wichtigtuer da drinnen! Er hat noch mehr behauptet.
Herbert: Erzähl!
Gerd: Nach seinen Berechnungen könnte Wasser bei großer Hitze in einen exotischen Zustand namens “Dampf” geraten.
Herbert: Wie soll der aussehen?
Gerd: Ich habs nicht genau kapiert. Ganz leicht soll es dann sein und elastisch wie Glibberalgen. Schwimmen kann man jedenfalls nicht mehr drin.
Herbert: Den soll er uns erstmal zeigen, diesen “Dampf”.
Gerd: Er sagt, die technischen Möglichkeiten reichen noch nicht, weil bei uns hier unten der Wasserdruck zu groß ist.
Herbert: Ja ja, die technischen Möglichkeiten. Immer die gleiche Ausrede.
Gerd: Ich glaubs ja auch nicht. Aber irre wäre das schon. Eine total andere Welt.
Herbert: Dann schwimm mal wieder rein und lass dir andere Welten aufschwatzen.
Gerd: Ich erzähle dir dann. Bis bald!
Herbert: Immer reichlich Wasser in den Kiemen wünsch ich dir.
Gerd: Halt die Flossen steif!

Marx und das Multiversum

Unglaublich, aber wahr: Das Multiversum spielt jetzt auch für Marxisten eine Rolle. Die Zeitung Neues Deutschland bringt dazu heute ein Interview mit Karl Heinz Roth, Titel “Über Marx hinaus ins Multiversum”. Es geht darin gar nicht um Kosmologie. Andererseits spielt dieses Interview doch auch irgendwie in einem Paralleluniversum:

“(…)
Neues Deutschland: Der zentrale Begriff, den Sie als Antwort auf diesen eingeengten Proletariatsbegriff vorschlagen, ist der des »Multiversums« – die Summe aller Ausgebeuteten. Ist das Multiversum auch eine Konsequenz aus der stets blamablen operaistischen Annahme, es gebe bestimmte Segmente innerhalb des Proletariats, das die Prozesse anschieben würde?
Roth: Zumindest ist es ein endgültiger Abschied von dieser Annahme. Sie ging davon aus, dass nach den Facharbeiterbewegungen des 19. Jahrhunderts die industriellen Massenarbeiter die Epoche von den Revolutionen nach dem Ersten Weltkrieg bis hin zu den Revolten Ende der 60er und der 70er Jahre geprägt hätten. Diese Auffassung war trotz einiger wichtiger Analysen zu den Klassenzusammensetzungen nicht haltbar.

Neues Deutschland: Vor 15 Jahren hatten Sie eine innerhalb der radikalen Linken intensiv diskutierte »Wiederkehr der Proletarität« prognostiziert. Widersprechen Sie dem nun?
Roth: Es ist eine Weiterentwicklung. Die Ausdehnung von Phänomenen wie Leiharbeit, Scheinselbständigkeit und anderer deregulierter Arbeitsverhältnisse führte bei mir zur Infragestellung einer ganz bestimmten zentralen Figur der Kämpfe. Es ging schon damals darum, die verschiedenen Existenzweisen innerhalb der Klasse der Ausgebeuteten zusammenzuführen und solidarisch aufeinander zu beziehen. Dennoch blieb dies noch auf die doppelt freie Lohnarbeit beschränkt. Mit dem Begriff des Multiversums wollen wir diese Sicht weiter entgrenzen.”

Dürfen die Marxisten das?

Klar, aber erfunden haben sie das Multiversum nicht. In unserem Buch schreiben wir über den Ursprung des Begriffs:

“Die Wissenschaft nähert sich mit dem Multiversum der Grenze zur Fantasie, das zeigt sich schon die bewegte Geschichte des Worts “Multiversum”. Passend zu seiner Bedeutung wurde es mehrmals erfunden. Erstmals gedruckt erschien es im Jahr 1895. Der amerikanische Psychologe William James schrieb damals in einem Buch The Will to Believe: “Visible nature is all plasticity and indifference – a moral multiverse, as one might call it, not a moral universe” (etwa: Die sichtbare Natur ist beliebig und gleichgültig – ein moralisches Multiversum, wenn man so will, kein moralisches Universum). James dachte nicht an eine Vielfalt von Welten, sondern an einen moralischen Pluralismus in einer einzigen Welt.

Seiner heutigen Bedeutung näherte sich das Wort “Multiversum” mit dem schottischen Hobby-Astronomen Andy Nimmo im Dezember 1960. Nimmo, damals Zweiter Vorsitzender des schottischen Zweigs der Britischen Interplanetarischen Gesellschaft, bereitete einen Vortrag über Hugh Everetts Theorie vor. “Ich brauchte einen Plural, wollte aber nicht ‘Welten’ sagen, weil das in unseren Kreisen Planeten bedeutet”, erinnert Nimmo sich, “also erfand ich das Wort ‘Multiversum’ und definierte es als ‘ein scheinbares Universum, von denen eine Vielzahl das ganze Universum bildet’.” Nimmo verstand also Universum und Multiversum genau anders herum als wir heute. Irgendwie sickerte das “Multiversum” in englische Science-Fiction-Kreise ein, der Autor Michael Moorcock schnappte es auf, gab ihm seinen heutigen Sinn und brachte es in seinen Büchern unter die Leute.”

Buchtipp von radioberlin

Monika Burghard rezensiert für radioberlin Die verrückte Welt der Paralleluniversen (Hat sich das Studium also doch gelohnt):

“(…)
Wieso also soll es keine Paralleluniversen geben, wo jeder von uns jede Menge Doppelgänger hat? Tobias Hürter und Max Rauner sind keine Phantasten, sie haben Philosophie studiert, Mathematik und Physik.

Der eine kann als Wissenschaftler dieser verrückten Idee von der Doppelexistenz immer mehr Einleuchtendes abgewinnen, der andere findet’s nach wie vor verrückt, also diskutieren die Beiden uns was vor. Keine Sorge, es gibt kein wissenschaftliches Kauderwelsch, wer ein bisschen aufgeschlossen ist für interessante Spekulationen, der kann prima folgen.

Es hat aber nichts zu tun mit “Per Anhalter durch die Galaxis” oder “Odyssee im Weltraum”, es ist schon ernst gemeint. So ernst wie die Schriften von Stephen Hawking zum Beispiel, der es ja auch auf die Bestsellerlisten geschafft hat.

Die Sache mit dem Urknall wird beleuchtet, der Urknall kommt uns mittlerweile schon irgendwie plausibel vor. Warum eigentlich? Was hat denn da geknallt? Da war dann wohl schon was. Wo nichts ist, knallt nichts.

Wir erfahren auch, dass Wissenschatler ihre Theorien nicht immer ganz wertfrei und uneigennützig entwickeln, auch da ist die eine grosse Konstante im Spiel: Geld.

Also, wer sich gern ein bisschen irritieren lassen möchte im gewohnten Denken und wer gern in die Sterne guckt und dabei grübelt, der ist hier richtig.”

Die WELT empfiehlt Parallelwelten

Buchtipp aus der WELT:

“Unser Kosmos ist nur einer von unendlich vielen, und jeder Mensch hat unzählige Doppelgänger in anderen Welten. Die Existenz eines Multiversums wird durchaus von seriösen Physikern behauptet. Die Autoren, zwei Wissenschaftsjournalisten, nehmen diese Theorie ernst und spüren der spannenden Frage nach, was dieses revolutionäre Weltbild für jeden Einzelnen von uns bedeutet. Tobias Hürter, Max Rauner. Piper, München. 268 Seiten, 14,95 Euro”

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