Die Blasen-Metapher

Jede Blase eine Welt

Jede Blase eine Welt

Georg Diez schreibt in der SZ am Wochenende: “Die Nullerjahre also, die endeten, wie sie begonnen hatten: mit dem Riesenkrach der Finanzkrise vom Herbst 2008 und mit der stillen Panik, die die Schweinegrippe weltweit verbreitet – und dass das Wort ‘ansteckend’ in beiden Fällen verwendet wird, zeigt nur, wie sehr sich die Bilder und Metaphern inzwischen gegenseitig infizieren. Da ist von Bubbles und Blasen die Rede, wenn es um ökonomische Fragen geht. Und die Ärzte warnen davor, dass die Grippe durch Tröpfchen übertragen wird. Peter Sloterdijk hat 2004 in seiner ‘Sphären’-Trilogie das Bild von den Schäumen benutzt, um zu zeigen, wie sich das Soziale und das Pathologische vermischen, wie Schäume, Inseln, Kapseln zu Deutungs-und Sinnstiftungsmustern geworden sind. Wenn es eine verbindende Metapher der letzten Jahre gibt, dann ist es die Blase.”

Ist es Zufall, dass auch im Zusammenhang mit dem Multiversum dauernd von Blasen, Schaum und Inseln die Rede ist?

Hier zum Beispiel in unserem Interview mit Alexander Vilenkin und Andrei Linde:

(…)

ZEIT: Was geschah vor unserem Urknall?

Vilenkin: Davor gab es diesen energiereichen Zustand der Inflation. Da, wo die Inflation endet, entsteht ein Feuerball aus Teilchen und Strahlung – ein Urknall. Diese Regionen sind wie isolierte Inseln. Zwischen den Inseln setzt sich die Ausdehnung fort und bringt neue Inseln hervor.

ZEIT: Wir leben also auf einer dieser Inseln.

Vilenkin: So ist es. In sehr weiter Entfernung gibt es auch Regionen, in denen ganz andere Naturgesetze herrschen als bei uns.

(…)
ZEIT: Wie stellen Sie sich das Multiversum vor?

Vilenkin: In einem einfachen Bild könnte man sagen, das Multiversum bestehe aus Blasen – Universen –, die im Raum entstehen und sich dann fast mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnen. Blasen, die vor langer Zeit entstanden, sind riesig, Blasen, die gerade erst entstanden sind, winzig. Zwischen ihnen expandiert der Raum so schnell, dass die Blasen niemals kollidieren. Neue Blasen entstehen, manche sogar innerhalb existierender Blasen. Es ist also ein ziemlich schaumiges Bild.

ZEIT: Könnte ein neues Universum direkt vor uns auf dem Tisch aufpoppen?

Vilenkin: Ja, so eine Blase würde uns ohne Vorwarnung treffen…

Linde: …und der Rekorder würde aufhören aufzunehmen, wir würden keine Fragen mehr beantworten – und auch aufhören zu existieren.

ZEIT: Man würde die Geburt eines neuen Universums also tatsächlich bemerken?

Linde: Bemerken vielleicht, aber niemals darüber berichten.

ZEIT: Kann man andere Universen in einem Teilchenbeschleuniger erzeugen?

Linde: Ich würde es nicht empfehlen. Wenn man Glück hat und weiß, was man tut, kann man ein harmloses Universum erzeugen, das sich von unserem Universum abtrennt. Warum sollte man es dann tun? Wenn man Pech hat, erzeugt man eine Blase, die einen schluckt. Solche Experimente sollten verboten werden.

ZEIT: Haben sie mal die Wahrscheinlichkeit für so ein Ereignis am neuen Teilchenbeschleuniger des Forschungszentrums Cern in Genf ausgerechnet?

Vilenkin: Haben wir. Es ist sehr unwahrscheinlich. Machen Sie sich keine Sorgen.

Alles gut gegangen

Unter Drachen

Unter Drachen

Tobias Hürter (rechts) und Max Rauner (Mitte) nach der Lesung im Otherland mit einem glücklichen Leser. Der war froh, unser Experiment überstanden zu haben. In unserem Weltenzweig war die Katze leider tot, dafür tauchten aber plötzlich Drachen auf (oben). Dank an Birgit Herden und Hannes Riffel sowie alle Zuhörer und Diskutanten für den spannenden Abend.

Neues Universum in Kreuzberg

P1010690Morgen, Freitag, den 27.11.um 20 Uhr diskutieren wir in der Buchhandlung Otherland über Paralleluniversen. Gegen 20:40 Uhr erzeugen wir dort ein Paralleluniversum. Teilnahme auf eigene Gefahr, Katzenfreunde bitte nicht kommen. Wenn Sie in den kommenden Monaten auf dieser Website keine Einträge mehr lesen, hat das Experiment wahrscheinlich geklappt und die Autoren befinden sich in einer Parallelwelt.

Otherland Buchhandlung
Bergmannstraße 25
10961 Berlin
030-69 50 51 17
service@otherland-berlin.de

Zieht da jemand?

Hubbles Blick ins tiefe Universum (NASA)

Hubbles Blick ins tiefe Universum (NASA)

Parallelwelten sind heute das Topthema auf ScienceBlogs, und Florian Freistetter widmet sich der Frage, ob ein Nachbaruniversum vielleicht Galaxien in unserem eigenen Universum anzieht. Einen solchen “Dark flow” will Alexander Kashlinsky in den Daten des WMAP-Satelliten entdeckt haben. Und die zitierte Laura Mersini-Houghton glaubt, ein Nachbaruniversum habe unserem Universum via quantenmechanische Verschränkung gewissermaßen einen Stoß mit dem Ellenbogen versetzt.

Doch selbst unter Multiversums-Kosmologen sind das extreme Außenseiterpositionen. Die meisten gehen davon aus, dass es keine Wechselwirkung zwischen Parallelwelten geben kann. Und wie der New Scientist vor ein paar Tagen schrieb, ist fraglich, ob es diesen Dark Flow in den Daten überhaupt gibt. Er sehe keine Spur davon, sagt jedenfalls der WMAP-Chef Charles Bennett.

Sie fliegen wieder

DSC00508Der Teilchenbeschleuniger LHC in Genf nimmt einen neuen Anlauf. Das könnte schlecht für das Multiversum sein. Laut einer wissenschaftsoziologischen Theorie diskutieren nämlich nur deswegen so viele Physiker gerade über Parallelwelten, weil ihnen interessante Daten von Teilchenbeschleunigern fehlen. Mit dieser Theorie ist es allerdings wie mit der Theorie vom Multiversum: Bislang noch reine Spekulation.

Auf dem Foto sieht man übrigens die beiden Autoren auf Recherche am Cern im Jahr 2007. Daraus ist dann dieser Artikel entstanden.

Multiversum für Fortgeschrittene

Explodierendes Universum von Andrei Linde

Explodierendes Universum von A. Linde

Das Multiversum – die Theorie, dass es außerhalb unseres Universums unzählige andere gibt – polarisiert. Das Problem ist, dass die anderen Universen nach den bisherigen Vorstellungen unerreichbar sind, weil sich der Raum zwischen den Parallelwelten zu schnell ausdehnt. Ein Lichtstrahl wird niemals von einem Universum ins andere gelangen. Hauptstreitpunkt daher: Kann man mit dieser Theorie irgendetwas erklären? Macht sie irgendwelche Vorhersagen? Ist das noch Wissenschaft oder schon Esoterik?

Darüber diskutierten unlängst die wichtigsten Kosmologen und Philosophen auf diesem Gebiet in Oxford. Dank des ausführlichen Blogs von Sean Carroll gibt es eine sehr gute Zusammenfassung der einzelnen Vorträge.

Einmal mehr wird deutlich, dass es in der Multiversums-Debatte nicht nur um ein neues Weltbild geht, sondern um die Grundsatzfrage nach der Grenze der Wissenschaft. Die Multiversums-Anhänger (Linde, Vilenkin) gaben sich alle Mühe, aus ihrem Weltbild Vorhersagen abzuleiten. Hier kommt das anthropische Prinzip ins Spiel: Es gibt unendlich viele Universen mit den unterschiedlichsten Eigenschaften. Eine Teilmenge erlaubt die Existenz von Leben. In dieser Teilmenge befinden wir uns. Können wir aus der Tatsache unserer Existenz Vorhersagen über diese Teilmenge des Multiversums ableiten? Zum Beispiel: Welche Naturkonstanten und Naturgesetze müssen Universen haben, die Leben (Beobachter wie uns) ermöglichen? Bis jetzt sind die Versuche nicht sehr vielversprechend. Vilenkin bemüht sein Prinzip der Mittelmäßigkeit: dass wir total durchschnittliche Beobachter im Kosmos sind. Eine gute Arbeitshypothese, aber ebensowenig überprüfbar.

Brian Greene unterscheidet zwischen unterschiedlichen Multiversums-Theorien und bringt das Argument, dass man das Multiversum akzeptieren kann, wenn die Theorie wenigstens für unser Universum sehr gute Vorhersagen macht. Aber auch so weit sind die Physiker noch nicht. Carrol fasst Greenes Vortrag so zusammen: “Can the multiverse be tested is an unanswerable question, because it depends on what kind of multiverse theory you actually have. E.g. if we live in some specific part of the string landscape, we could in principle probe details of the compactification manifold, to figure out which one it is. If there are bubble universes, we might observe collisions between bubbles. The landscape might predict relationships between observable quantities. Or, if you had a microphysical theory that you had tested well enough to accept it, and it predicted a multiverse, that would be a sensible conclusion to accept.”