Unsere außerirdischen Brüder

Premiere! Diese Woche hält die Päpstliche Akademie der Wissenschaften ihre erste große Konferenz zur Astrobiologie, unter Vorsitz des Präsidenten der Akademie, Bischof Marcelo Sanchez Sorondo. Im Vorfeld haben die Vertreter der Kurie sich auffällig alienfreundlich gezeigt. Der Leiter der päpstlichen Sternwarte, der Jesuitenpater José Gabriel Funes, sagte in einem Interview mit dem Osservatore Romano:

“So wie es eine Vielfalt von Lebewesen auf der Erde gibt, kann es andere Gottesgeschöpfe geben, vielleicht sogar intelligente. Das widerspricht nicht dem Glauben, weil wir Gottes schöpferischer Freiheit keine Grenzen setzen können. Warum können wir nicht von ‘unseren außerirdischen Brüdern’ sprechen? Sie wären Teil der Schöpfung.”

Wie Fische im Wasser

Antennarius ocellatus, fotografiert von Nick Hobgood vor Osttimor

Antennarius ocellatus, fotografiert von Nick Hobgood vor Osttimor

Die physikalische Welt könnte auch ganz anders sein. Total anders. So dermaßen unvorstellbar anders, wie es unser Leben an der Luft für Tiefseefische ist. Ein Dialog, passend zu Kapitel 9 der “Verrückten Welt der Paralleluniversen”:

Irgendwo in der Tiefsee treffen sich zwei Anglerfische, Gerd und Herbert.

Gerd: Ja, wen seh ich da leuchten? Herbert! Wie schwimmts?
Herbert: Gut schwimmts! Und selbst?
Gerd: Auch ganz gut.
Herbert: Was treibt dich denn hierher?
Gerd: Ich bin nur mal kurz raus, ein bisschen frisches Wasser schnappen. Drinnen, in der Versammlungshöhle, hält so ein Forscher einen Vortrag. Total trocken.
Herbert: Was blubbert er denn so?
Gerd: Er ist Physiker und erforscht die Grundstruktur von Wasser.
Herbert: Die Sache mit den Molekülen?
Gerd: Genau die. Er behauptet, diese Moleküle könnten sich unter extremen Bedingungen ganz anders verhalten.
Herbert: Wie anders?
Gerd: Anders als sie es immer tun. Dann wäre Wasser plötzlich fest wie Stein, behauptet er.
Herbert: Hä? Klingt nach reichlich heißem Wasser.
Gerd: Ja, verrückt, diese Physiker. “Eis” nennt er diesen Zustand, nach dem Mythos aus dunklen Urzeiten.
Herbert: Der Eismythos ist doch nur eine Spinnerei von damals, als man noch keine Ahnung hatte und die Wissenslücken mit Fantasie füllte.
Gerd: Sag das mal diesem Wichtigtuer da drinnen! Er hat noch mehr behauptet.
Herbert: Erzähl!
Gerd: Nach seinen Berechnungen könnte Wasser bei großer Hitze in einen exotischen Zustand namens “Dampf” geraten.
Herbert: Wie soll der aussehen?
Gerd: Ich habs nicht genau kapiert. Ganz leicht soll es dann sein und elastisch wie Glibberalgen. Schwimmen kann man jedenfalls nicht mehr drin.
Herbert: Den soll er uns erstmal zeigen, diesen “Dampf”.
Gerd: Er sagt, die technischen Möglichkeiten reichen noch nicht, weil bei uns hier unten der Wasserdruck zu groß ist.
Herbert: Ja ja, die technischen Möglichkeiten. Immer die gleiche Ausrede.
Gerd: Ich glaubs ja auch nicht. Aber irre wäre das schon. Eine total andere Welt.
Herbert: Dann schwimm mal wieder rein und lass dir andere Welten aufschwatzen.
Gerd: Ich erzähle dir dann. Bis bald!
Herbert: Immer reichlich Wasser in den Kiemen wünsch ich dir.
Gerd: Halt die Flossen steif!

Die Woche auf Twitter

Vater und Sohn

Hugh Everett, Viele-Welten-Erfinder

Hugh Everett, Viele-Welten-Erfinder

Hugh Everett, Urheber der Viele-Welten-Deutung der Quantenmechanik, ist die Hauptfigur von Kapitel 10 unseres Buchs. Was hätten er und sein Sohn Mark sich zu sagen, wenn sie sich heute treffen würden? Ein fiktiver Dialog:

Hugh Everett war kein großer Redner. “Ich erinnere mich an drei oder vier Worte, die er in unseren 19 gemeinsamen Jahren gesprochen hat”, sagt heute sein Sohn, der Rocksänger Mark Everett. Mit 19 Jahren fand Mark seinen Vater tot im Bett. Erst danach erfuhr er von dessen Geistesleistungen. In einem anderen Universum kann er ihn noch selbst danach fragen.

Hugh und Mark sitzen am Pazifikstrand in Los Angeles, wo Mark als Musiker arbeitet. Die Sonne sinkt ins Meer. Wie früher so oft schweigen Vater und Sohn sich an. Hugh steckt sich eine Zigarette an. Mark schaltet seinen Ghettoblaster ein – die Dire Straits mit “Brothers in Arms”:
Theres so many different worlds
So many differents suns
And we have just one world
But we live in different ones

M: Dad, in was für einer Welt hast all die Jahre gelebt?
H: Gelebt hab ich in derselben Welt wie du. Aber Leben und Wissenschaft vertragen sich eben nicht immer. Man muss die Welt aus der Distanz betrachten, um sie neu zu verstehen. Der Bauernsohn Newton. Der Patentbeamte Einstein. Außenseiter wie ich.
M: Kopernikus war kein Außenseiter.
H: Kopernikus war ein Feigling. Wenn es wirklich ernst wurde, hat er sein Weltbild als bloße Gedankenspielerei verleugnet.
M: Und du? Hast gerade mal diesen einen Artikel geschrieben und warst dann beleidigt, als die Elite der Physik einem 26-jährigen Doktoranden, der ihnen von unermesslich vielen Parallelwelten erzählt hat, nicht gleich applaudiert hat.
H: Einige wenige haben die Tragweite meiner Arbeit erkannt. Mein Doktorvater John Wheeler hat mich in eine Reihe mit Newton, Maxwell und Einstein gestellt.
M: Warum hast du mir nie erzählt von deiner Arbeit?
H: Wie hättest du sie verstehen können, wenn kaum einer meiner Kollegen sie damals verstanden hat?
M: Inzwischen hat deine Theorie ja fast schon Kultstatus gewonnen.
H: Sie wird noch immer wie ein Kuriosum behandelt. Nur ein paar Physiker haben ihre Tragweite erkannt. Und ein paar Esoteriker haben sie zurechtgebogen, um ihren Jenseitsglauben wissenschaftlich zu auszuschmücken.
M: Ist das denn dein Ernst? Die Welt verzweigt sich in jedem Augenblick myriadenfach? Das ist doch völlig verrückt.
H: Nichts ist mir ernster.
M: Wenn die Welt sich unaufhörlich teilt, warum haben ihre Bewohner dann bisher nichts davon mitgekriegt, bis du es ihnen gesagt hast?
H: Das gleiche lächerliche Argument wurde damals gegen das heliozentrische Weltbild angeführt. Spürst du etwa, dass die Erde sich bewegt?
M: Nein…
H: … aber trotzdem glaubst du es. Und wenn du die Augen aufmachst, siehst du es auch. Schau dir den Sonnenuntergang an! Das ist nichts anderes als die Erdrotation.
M: Aber ich sehe nichts davon, dass die Welt sich verzweigt.
H: Du hörst es gerade.
M: Ich höre nur die Dire Straits.
H: Dein Gerät da tastet die CD mit einem Laser ab. Der funktioniert, weil die Welt den Gesetzen der Quantenmechanik folgt. Und diese Gesetze besagen, dass die Welt mit jedem Gitarrenakkord aus deinem Lautsprecher in viele Weltenzweige zerfällt.
M: Wieviele?
H: Unermesslich viele. Mit Zahlen nicht auszudrücken.
M: Ach Dad, als ich klein war, hättest du mir Märchen erzählen können. Jetzt ist es ein bisschen spät.
H: Das ist kein Märchen. Das ist die beste physikalische Theorie, die wir haben.
M: Wo sollen denn all diese Welten sein?
H: Man kann nicht auf sie zeigen. Sie existieren in einem höherdimensionalen mathematischen Raum, genannt Konfigurationsraum.
M: Und woher kommen sie? Eine Welt materialisiert sich doch nicht einfach so aus dem Ghettoblaster.
H: Du meinst, das Prinzip der Erhaltung der Materie wäre verletzt?
M: Hm, ja, das ist wohl, was ich meine.
H: Dieses Prinzip gilt nur innerhalb einer Welt. Wenn du meine Deutung der Quantenmechanik widerlegen willst, dann vergiss es. Das haben schon ganz andere versucht.
M: OK, sie mag logisch sein. Aber sie kommt mir so unwissenschaftlich vor. Ich dachte, Wissenschaftler wären vorsichtig damit, die Existenz neuer Objekte zu behaupten. Und du kommst mit unzähligen Welten daher.
H: Ja, es gibt das Sparsamkeitsgebot – Ockhams Rasiermesser. Aber das verlangt eine Ökonomie der Ideen, nicht eine Ökonomie der Welten. Und meine Idee, dass die Welt sich in alle Möglichkeiten verzweigt, ist einfacher als die alte Idee, das immer der Zufall eine Möglichkeit auswählt.
M: Wie soll ich mir das denn vorstellen: Die Welt verzweigt sich?
H: Das mit dem Verzweigen ist eigentlich nur eine Redeweise. Strenggenommen verzweigt sich da nichts. Die Welt ist in mehreren, sich überlagernden Zuständen gleichzeitig. Du bemerkst die Überlagerung im Alltag nicht, weil die Zustände sich sehr schnell auseinander entwickeln. Sei froh! Es wäre ziemlich verwirrend.
M: Versteh ich nicht, aber ich lasse nie einen Grund aus, froh zu sein.
H: Freu dich in Ruhe. Ich rauche inzwischen noch eine.
M: Qualmst du immer noch so viel?
H: So viel ich will.
M: In manchen Universen bist du daran gestorben.
H: Ich bin an allem Möglichen gestorben im Multiversum.

Die Woche auf Twitter

Tweets vom 21. Oktober