Woher kommt die Welt?

Multiversum in der Urania

Multiversum in der Urania

Lieber Berliner, vielen Dank für die gute Diskussion in der Urania am vergangenen Freitag. Noch ein Nachtrag zu der Frage, woher die ganze Materie in unserem Universum kommt, die scheinbare Erschaffung der Welt aus dem Nichts: Mit der Dunklen Energie ist das keine Zauberei mehr. Dunkle Energie, glauben die Physiker, ist eine Eigenschaft des Raums, die Menge pro Volumen (die Energiedichte) ist konstant. Das bedeutet: Wenn sich der Raum ausdehnt, wird die Dunkle Energie nicht verdünnt, sondern vermehrt. Physiker haben ausgerechnet: Schon ein Klümpchen von zehn Kilogramm Dunkler Energie, verdichtet in einem winzigen Kügelchen, würde während seiner Aufblähung so viel Energie hinzu gewinnen, dass sich das gesamte Inventar des Universums daraus materialisieren könnte. Woher kommt das Anfangsklümpchen? Das wäre noch zu klären, aber das erscheint weniger rätselhaft als die Herkunft eines ganzen Kosmos.

Die nächste Lesung mit Diskussion findet übrigens am  27.1. in Hamburg statt

4.12.: Multiversum in Berlin

Max Rauner

Max Rauner

Zur Erinnerung: Morgen, Freitag den 4. Dezember, erklärt Max Rauner in der Urania das Multiversum. 45 Minuten Vortrag, dann Diskussion. Beginn um 19:30. Wegbescheibung und Infos hier. Auch für diejenigen geeignet, die Physik nach der 10. Klasse abgewählt haben.

Wo leben wir eigentlich? Und wenn ja, wie oft? Kein Witz: Unser Universum ist nur eines von unendlich vielen, und jeder Mensch hat Doppelgänger in anderen Welten, manche gleichen uns bis aufs Atom, das behaupten seriöse Physiker. Bisher spielten Philosophen, Schriftsteller und Regisseure mit der Idee der Vielen Welten, jetzt erobert sie die Kosmologie. Steht unser Weltbild vor einem Umbruch wie zuletzt bei Kopernikus? Max Rauner erklärt den Stand der Forschung und geht der Frage nach, was das für jeden von uns bedeuten könnte: Wer sind wir, wenn wir nicht mehr einzigartig sind? Werden wir unsere Doppelgänger jemals kennenlernen? Ist das Multiversum das Weltbild der Postmoderne?
Und gibt es noch einen Platz für Gott?

Multi-, Pluri- oder Megaversum?

Michael Moorcock

Michael Moorcock

Wer hat eigentlich den Begriff des Multiversums erfunden? Auszug aus unserem Buch:

Die Wissenschaft nähert sich mit dem Multiversum der Grenze zur Fantasie, das zeigt sich schon die bewegte Geschichte des Worts “Multiversum”. Passend zu seiner Bedeutung wurde es mehrmals erfunden. Erstmals gedruckt erschien es im Jahr 1895. Der amerikanische Psychologe William James schrieb damals in einem Buch The Will to Believe: “Visible nature is all plasticity and indifference – a moral multiverse, as one might call it, not a moral universe”William James: The Will to Believe. Dover, 1957 (Original 1895), S. 43 (etwa: Die sichtbare Natur ist beliebig und gleichgültig – ein moralisches Multiversum, wenn man so will, kein moralisches Universum). James dachte nicht an eine Vielfalt von Welten, sondern an einen moralischen Pluralismus in einer einzigen Welt.

Seiner heutigen Bedeutung näherte sich das Wort “Multiversum” mit dem schottischen Hobby-Astronomen Andy Nimmo im Dezember 1960. Nimmo, damals Zweiter Vorsitzender des schottischen Zweigs der Britischen Interplanetarischen Gesellschaft, bereitete einen Vortrag über Hugh Everetts Theorie vor. “Ich brauchte einen Plural, wollte aber nicht ‘Welten’ sagen, weil das in unseren Kreisen Planeten bedeutet”, erinnert Nimmo sich, “also erfand ich das Wort ‘Multiversum’ und definierte es als ‘ein scheinbares Universum, von denen eine Vielzahl das ganze Universum bildet’.” Nimmo verstand also Universum und Multiversum genau anders herum als wir heute. Irgendwie sickerte das “Multiversum” in englische Science-Fiction-Kreise ein, der Autor Michael Moorcock schnappte es auf, gab ihm seinen heutigen Sinn und brachte es in seinen Büchern unter die Leute.

Zu Moorcocks Lesern gehörte in den 1990er Jahren der Quantenphysiker David Deutsch von der Oxford University. Er verwendete den Begriff fortan für Hugh Everetts Theorie – für das, was Nimmo “Universum” genannt hatte. Das Multiversum war in der Wissenschaft angekommen.

Die Blasen-Metapher

Jede Blase eine Welt

Jede Blase eine Welt

Georg Diez schreibt in der SZ am Wochenende: “Die Nullerjahre also, die endeten, wie sie begonnen hatten: mit dem Riesenkrach der Finanzkrise vom Herbst 2008 und mit der stillen Panik, die die Schweinegrippe weltweit verbreitet – und dass das Wort ‘ansteckend’ in beiden Fällen verwendet wird, zeigt nur, wie sehr sich die Bilder und Metaphern inzwischen gegenseitig infizieren. Da ist von Bubbles und Blasen die Rede, wenn es um ökonomische Fragen geht. Und die Ärzte warnen davor, dass die Grippe durch Tröpfchen übertragen wird. Peter Sloterdijk hat 2004 in seiner ‘Sphären’-Trilogie das Bild von den Schäumen benutzt, um zu zeigen, wie sich das Soziale und das Pathologische vermischen, wie Schäume, Inseln, Kapseln zu Deutungs-und Sinnstiftungsmustern geworden sind. Wenn es eine verbindende Metapher der letzten Jahre gibt, dann ist es die Blase.”

Ist es Zufall, dass auch im Zusammenhang mit dem Multiversum dauernd von Blasen, Schaum und Inseln die Rede ist?

Hier zum Beispiel in unserem Interview mit Alexander Vilenkin und Andrei Linde:

(…)

ZEIT: Was geschah vor unserem Urknall?

Vilenkin: Davor gab es diesen energiereichen Zustand der Inflation. Da, wo die Inflation endet, entsteht ein Feuerball aus Teilchen und Strahlung – ein Urknall. Diese Regionen sind wie isolierte Inseln. Zwischen den Inseln setzt sich die Ausdehnung fort und bringt neue Inseln hervor.

ZEIT: Wir leben also auf einer dieser Inseln.

Vilenkin: So ist es. In sehr weiter Entfernung gibt es auch Regionen, in denen ganz andere Naturgesetze herrschen als bei uns.

(…)
ZEIT: Wie stellen Sie sich das Multiversum vor?

Vilenkin: In einem einfachen Bild könnte man sagen, das Multiversum bestehe aus Blasen – Universen –, die im Raum entstehen und sich dann fast mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnen. Blasen, die vor langer Zeit entstanden, sind riesig, Blasen, die gerade erst entstanden sind, winzig. Zwischen ihnen expandiert der Raum so schnell, dass die Blasen niemals kollidieren. Neue Blasen entstehen, manche sogar innerhalb existierender Blasen. Es ist also ein ziemlich schaumiges Bild.

ZEIT: Könnte ein neues Universum direkt vor uns auf dem Tisch aufpoppen?

Vilenkin: Ja, so eine Blase würde uns ohne Vorwarnung treffen…

Linde: …und der Rekorder würde aufhören aufzunehmen, wir würden keine Fragen mehr beantworten – und auch aufhören zu existieren.

ZEIT: Man würde die Geburt eines neuen Universums also tatsächlich bemerken?

Linde: Bemerken vielleicht, aber niemals darüber berichten.

ZEIT: Kann man andere Universen in einem Teilchenbeschleuniger erzeugen?

Linde: Ich würde es nicht empfehlen. Wenn man Glück hat und weiß, was man tut, kann man ein harmloses Universum erzeugen, das sich von unserem Universum abtrennt. Warum sollte man es dann tun? Wenn man Pech hat, erzeugt man eine Blase, die einen schluckt. Solche Experimente sollten verboten werden.

ZEIT: Haben sie mal die Wahrscheinlichkeit für so ein Ereignis am neuen Teilchenbeschleuniger des Forschungszentrums Cern in Genf ausgerechnet?

Vilenkin: Haben wir. Es ist sehr unwahrscheinlich. Machen Sie sich keine Sorgen.

Alles gut gegangen

Unter Drachen

Unter Drachen

Tobias Hürter (rechts) und Max Rauner (Mitte) nach der Lesung im Otherland mit einem glücklichen Leser. Der war froh, unser Experiment überstanden zu haben. In unserem Weltenzweig war die Katze leider tot, dafür tauchten aber plötzlich Drachen auf (oben). Dank an Birgit Herden und Hannes Riffel sowie alle Zuhörer und Diskutanten für den spannenden Abend.

Neues Universum in Kreuzberg

P1010690Morgen, Freitag, den 27.11.um 20 Uhr diskutieren wir in der Buchhandlung Otherland über Paralleluniversen. Gegen 20:40 Uhr erzeugen wir dort ein Paralleluniversum. Teilnahme auf eigene Gefahr, Katzenfreunde bitte nicht kommen. Wenn Sie in den kommenden Monaten auf dieser Website keine Einträge mehr lesen, hat das Experiment wahrscheinlich geklappt und die Autoren befinden sich in einer Parallelwelt.

Otherland Buchhandlung
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