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Sie fliegen wieder

DSC00508Der Teilchenbeschleuniger LHC in Genf nimmt einen neuen Anlauf. Das könnte schlecht für das Multiversum sein. Laut einer wissenschaftsoziologischen Theorie diskutieren nämlich nur deswegen so viele Physiker gerade über Parallelwelten, weil ihnen interessante Daten von Teilchenbeschleunigern fehlen. Mit dieser Theorie ist es allerdings wie mit der Theorie vom Multiversum: Bislang noch reine Spekulation.

Auf dem Foto sieht man übrigens die beiden Autoren auf Recherche am Cern im Jahr 2007. Daraus ist dann dieser Artikel entstanden.

Multiversum für Fortgeschrittene

Explodierendes Universum von Andrei Linde

Explodierendes Universum von A. Linde

Das Multiversum – die Theorie, dass es außerhalb unseres Universums unzählige andere gibt – polarisiert. Das Problem ist, dass die anderen Universen nach den bisherigen Vorstellungen unerreichbar sind, weil sich der Raum zwischen den Parallelwelten zu schnell ausdehnt. Ein Lichtstrahl wird niemals von einem Universum ins andere gelangen. Hauptstreitpunkt daher: Kann man mit dieser Theorie irgendetwas erklären? Macht sie irgendwelche Vorhersagen? Ist das noch Wissenschaft oder schon Esoterik?

Darüber diskutierten unlängst die wichtigsten Kosmologen und Philosophen auf diesem Gebiet in Oxford. Dank des ausführlichen Blogs von Sean Carroll gibt es eine sehr gute Zusammenfassung der einzelnen Vorträge.

Einmal mehr wird deutlich, dass es in der Multiversums-Debatte nicht nur um ein neues Weltbild geht, sondern um die Grundsatzfrage nach der Grenze der Wissenschaft. Die Multiversums-Anhänger (Linde, Vilenkin) gaben sich alle Mühe, aus ihrem Weltbild Vorhersagen abzuleiten. Hier kommt das anthropische Prinzip ins Spiel: Es gibt unendlich viele Universen mit den unterschiedlichsten Eigenschaften. Eine Teilmenge erlaubt die Existenz von Leben. In dieser Teilmenge befinden wir uns. Können wir aus der Tatsache unserer Existenz Vorhersagen über diese Teilmenge des Multiversums ableiten? Zum Beispiel: Welche Naturkonstanten und Naturgesetze müssen Universen haben, die Leben (Beobachter wie uns) ermöglichen? Bis jetzt sind die Versuche nicht sehr vielversprechend. Vilenkin bemüht sein Prinzip der Mittelmäßigkeit: dass wir total durchschnittliche Beobachter im Kosmos sind. Eine gute Arbeitshypothese, aber ebensowenig überprüfbar.

Brian Greene unterscheidet zwischen unterschiedlichen Multiversums-Theorien und bringt das Argument, dass man das Multiversum akzeptieren kann, wenn die Theorie wenigstens für unser Universum sehr gute Vorhersagen macht. Aber auch so weit sind die Physiker noch nicht. Carrol fasst Greenes Vortrag so zusammen: “Can the multiverse be tested is an unanswerable question, because it depends on what kind of multiverse theory you actually have. E.g. if we live in some specific part of the string landscape, we could in principle probe details of the compactification manifold, to figure out which one it is. If there are bubble universes, we might observe collisions between bubbles. The landscape might predict relationships between observable quantities. Or, if you had a microphysical theory that you had tested well enough to accept it, and it predicted a multiverse, that would be a sensible conclusion to accept.”

Die größte aller denkbaren Naturkatastrophen

Wie würde es aussehen, wenn unser Universum mit einem seiner Nachbarn kollidiert? Über diese Frage hat der Physiker Anthony Aguirre von der University of California in Santa Cruz nachgedacht. Die Grenze des anderen Universums käme wie eine Wand mit Lichtgeschwindigkeit auf uns zugerast. Nur dass hinter normalen Wänden dieselben Naturgesetze gelten, hinter dieser aber ganz andere. Das Ergebnis wäre totale Zerstörung überall dort, wo die Universen sich berühren: “Wenn wir es in Zeitlupe beobachten können, würden wir einen riesigen Spiegel auf uns zurasen sehen, weil die Wand das Licht reflektieren würde”, sagt Aguirre. “Dann würden wir nichts mehr sehen – weil wir alle tot wären.”

Parallelwelt zu gewinnen

Das Frizz-Magazin verlost 6 Ausgaben unseres Buchs. Das schöne daran: Email genügt.

Der Buchtipp im Wortlaut: “Willkommen im Multiversum! Sie werden auf eine interessante Expedition durch die Wissenschaftsgeschichte des Universum entführt. Der Grundgedanke dieses Buches ist, das unser Universum nur eines von vielen ist und jeder von uns in anderen Universen Doppelgänger hat. Eine unterhaltsame und originelle Philosophie für jedermann. 288 Seiten, 14,95 Euro, erschienen im Piper Verlag. FRIZZ Das Magazin verlost 6 Bücher. Einfach eine Mail an heidelberg@smv-medien.de senden”.

Brotkrümel aus der Parallelwelt

Der CMS-Detektor beim Absenken in seine Kaverne (Foto: Katharina Sturm)

Der CMS-Detektor beim Absenken in seine Kaverne (Foto: Katharina Sturm)

Es läuft schlecht mit der größten Maschine der Welt. Der Beschleuniger LHC bei Genf sollte eigentlich das Welträtsel lösen, vielleicht sogar das Weltenrätsel – also die Existenz anderer Welten aufdecken. Stattdessen eine Panne nach der anderen. Niemand spricht mehr über Resultate. Alle nur noch darüber, ob das Ding endlich funktioniert oder nicht.
Nachdem das Riesengerät im September 2008 startete, war es nach einer Woche schon wieder kaputt – Kurzschluss. Dann fiel die Kühlung aus. Zuerst war von einem Tag Pause die Rede, jetzt dauert sie schon ein Jahr. Letzte Woche versuchten die Cern-Physiker mal wieder, ihr Zig-Millionen-Spielzeug in Gang zu setzen. Doch ein überfliegender Vogel ließ einen Brotkrümel in ein Elektrizitätshäuschen fallen. Die Sicherung sprang raus. Also wieder nichts.
Vielleicht sollte man die Pannenkette nicht als Scheitern betrachten, sondern selbst als Versuchsergebnis. Als Hinweis darauf, dass nicht nur einen Weltverlauf gibt, sondern viele. Das Argument dafür hat englische Physiker John Gribbin formuliert: Dem LHC wird die Kraft nachgesagt, das Universum zu zerstören, etwa indem er allesfressende Schwarze Löcher erzeugt. Das gesamte Universum. Aber nicht das Multiversum. Andere Universen, in denen der LHC außer Betrieb ist, überleben. Oder umgekehrt gedacht: In einem Multiversum brauchen wir uns nicht wundern, dass wir diese ominöse Pannenserie beobachten. Würden wir sie nicht beobachten, dann würden wir gar nichts mehr beobachten, weil wir nicht mehr da wären. Was wie unerklärlicher Zufall wirkt, hat im Multiversum eine natürliche Erklärung.
Es ist eine wüste Spekulation, ja, aber wie sonst soll man sich die Zeit vertreiben, solange der LHC in Reparatur ist? Nächste Woche solls endlich rundgehen im 27-Kilometer-Tunnel. Vielleicht kann der LHC dann wirklich anfangen, nach Hinweisen für andere Universen zu suchen. Falls nicht, ist es auch ein Hinweis. Multiversen-Verfechter dürfen sich in einer Win-win-Situation fühlen.

Hohles Weltbild

Hohle Welt

Hohle Welt

Weltbilder gibt es! Der Hohlweltlehre zufolge leben wir im Innern einer Hohlkugel. Der amerikanische Arzt Cyrus Teed erfand sie im 19. Jahrhundert. Er stülpte die Welt um: Was vorher unser Heimatplanet Erde war, wurde zum Rand des Kosmos. Sonne, Mond und Sterne ziehen ihre Bahnen im Inneren der hohlen Erde. Die Vertreter der Hohlweltlehre mussten raffinierte Gesetze der Lichtablenkung und Längenverkürzung ausklügeln, damit ihr Konstrukt nicht sofort in sich zusammenfällt.

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